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Bau- und Dämmstoffe aus Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen und deren Verhalten bei Einwirkungen aus Wärme, Feuchte und mechanischer Last

ORCID
0000-0002-8825-7382
Affiliation/Institute
Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI
Rüther, Norbert

Das Bauen mit Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen ist in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg sehr stark in den Hintergrund geraten, obwohl die Dauerhaftigkeit von Holzgebäuden bei richtiger Ausführung über historische Bauten belegt ist. Andere Baustoffe wie Beton, Stahl, Glas, Kunststoffe und Mineralfaserdämmstoffe haben Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen so weit zurückgedrängt, dass vieles von dem Wissen über die Materialien und deren Handhabung verlorengegangen ist.
Seit Mitte der 1990er Jahre hat der sogenannte ökologische Holzbau aufgrund unterschiedlichster Umstände immer mehr an Popularität gewonnen. Die Entwicklungen in der Holzwerkstofftechnologie und Änderungen in Normen und anderen Standards haben dazu geführt, dass eine sehr große Vielfalt an Bau- und Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen von in der Regel kleinen und mittelständischen Unternehmen am Markt etabliert sind. Nahezu alle Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen haben gemeinsam, dass sie
a) verhältnismäßig große Streuungen in den Materialeigenschaften aufweisen und
b) anisotrop sind.
Die große Vielfalt an Produkten sowie Streuungen und Anisotropie sind sehr schwer in Einklang zu bringen
• mit der Tendenz, immer genauer Messen und Simulieren zu wollen und
• mit dem Fakt, dass das Bauwesen sehr stark von Einzelprüfungen geprägt ist.
Sowohl übliche Simulationen als auch Einzelprüfungen berücksichtigen die Streuungen der Materialkennwerte und die große Vielfalt der Produkte nicht. Die anisotropen Materialeigenschaften verkomplizieren die Situation zusätzlich.
Während hinsichtlich des Tragverhaltens von Holzkonstruktionen umfangreiche Versuchsreihen zur Ermittlung von Materialkennwerten durchgeführt werden, die eine statistische Auswertung ermöglichen, werden bauphysikalische Eigenschaften anhand weniger Proben ermittelt, die die üblichen Materialstreuungen unzureichend abdecken können. Insgesamt hat sich über die Jahrzehnte eine unbefriedigende Situation sowohl für die Hersteller von Bauprodukten, aber auch für die PlanerInnen und AnwenderInnen eingestellt.
Die wissenschaftliche Fragestellung, die allen Vorhaben, die dieser Dissertation zugrunde liegen, ist die Frage nach funktionalen Beziehungen zwischen Einflussparametern und Auswirkungen: Dosis-Wirkungsbeziehungen. Diese funktionalen Beziehungen sollen das Ziel verfolgen, zuverlässige Prognosen erstellen zu können – Bau- und Dämmstoffe sowie die daraus hergestellten Konstruktionen „berechenbar“ zu machen, um den experimentellen, prüftechnischen Aufwand reduzieren und die Zuverlässigkeit erhöhen zu können. Prognosen hinsichtlich
• des Diffusionswiderstandes von Holzwerkstoffen und anderer bauphysikalischer Eigenschaften,
• des Trag- und Verformungsverhaltens von Holzfaserdämmstoffen (in Wärmedämmverbundsystemen (WDVS)) und
• des Einflusses von Naturfaserdämmstoffen auf den konstruktiven Feuchteschutz von Holzkonstruktionen.
Im Rahmen mehrerer Vorhaben wurden umfangreiche experimentelle und rechnerische Untersuchungen an Materialien, Materialkombinationen und Bauteilen durchgeführt, die insgesamt zu einem größeren Verständnis bauphysikalischer und mechanischer Eigenschaften führen sollen. Die Erkenntnisse können dazu beitragen, mit einer größeren Genauigkeit prognostizieren zu können, wobei diese auf der Möglichkeit beruht, Wahrscheinlichkeiten zu berücksichtigen, die die Streuungen der Werte der Materialeigenschaften beinhalten.
Mit Hilfe der durchgeführten Arbeiten und der daraus gewonnenen Erkenntnisse, nämlich der Möglichkeit aufgrund von funktionalen Beziehungen rechnerische Prognosen erstellen zu können, lässt sich der experimentelle Versuchsaufwand zur Ermittlung von
• Materialeigenschaften
o mehrere bauphysikalische und mechanische Werte von Holzwerkstoffen inklusive Holzfaserdämmstoffen
o einzelne bauphysikalische Eigenschaften von Naturfaserdämmstoffen
• Bauteileigenschaften
o Trag- und Verformungsverhalten von WDVS mit Holzfaserdämmstoffen
o konstruktiver Feuchteschutz von Holzkonstruktionen mit Naturfaserdämmstoffen
(jeweils im Holzbau) reduzieren, bei gleichzeitiger Erhöhung der Zuverlässigkeit. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen:
• Es ist mit den Arbeiten wissenschaftlich bewiesen, dass alle Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen den konstruktiven Holzschutz unterstützen oder zumindest nicht behindern. Die vermeintlichen Unterschiede der Dämmstoffe untereinander sind verhältnismäßig groß, dennoch für diesen konkreten Fall des Holzschutzes nicht signifikant. Vermeintlich genauere Messungen von Materialeigenschaften und Simulationen liefern keine exakteren Ergebnisse und sind deshalb unnütz. Hierzu sind Anteile dieser Erkenntnisse bereits in die DIN 68800-2 eingeflossen. Den Normenausschuss zur DIN 4108-3 haben diese Erkenntnisse jedoch noch nicht vollständig durchdrungen.
• Bei Holzwerkstoffen kann die Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl μ kein Einzelwert sein. Der Wert ändert sich mit der Feuchtigkeit und wird von etlichen Produktionsparametern beeinflusst. Die Bandbreite des Wertes für ein konkretes Bauprodukt kann jedoch mit Kenntnis der Bandbreite der Produktionsparameter prognostiziert werden, ohne den Wert in Prüfungen messen zu müssen. Die Vereinfachung liegt somit darin, dass der μ-Wert nicht in aufwändigen Versuchsreihen ermittelt werden muss. Die Vereinfachung für PlanerInnen und AnwenderInnen besteht darin, dass bei konsequenter Anwendung der Erkenntnisse alle Holzwerkstoffe im jeweils selben Anwendungsbereich sehr ähnliche bis gleiche Werte aufweisen. Konkret muss man beispielsweise aufgrund dieser Erkenntnisse eingestehen, dass alle im Markt etablierten OSB über die gesamte Produktion betrachtet einen ähnlichen Widerstand gegenüber Wasserdampfdiffusion aufweisen. Die deklarierten Werte beruhen auf Zufallsergebnissen und sind nicht statistisch belegbar. Ausschließlich tendenzielle Unterschiede sind zwischen OSB/3 und OSB/4 aufgrund der Unterschiede der Rohdichte gegeben. Gleiches gilt analog für andere hygrothermische Kennwerte.
• Vorgenanntes gilt ebenfalls auch für die Wärmeleitfähigkeit von Holzfaserdämmstoffen. Die Zusammenhänge zwischen Wärmeleitfähigkeit und Rohdichte sind eindeutig. Solange die Produktion nicht maßgeblich geändert wird, kann die Wärmeleitfähigkeit anhand der Rohdichte mit baupraktisch ausreichender Genauigkeit prognostiziert werden. Zudem sind die Unterschiede im Vergleich zu den üblichen Unwägbarkeiten bei einer Prognose im Bauwesen nicht signifikant.
• Vorgenanntes gilt wiederum analog für die Verwendung von Holzfaserdämmplatten in Wärmedämmverbundsystemen (WDVS). Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften korrelieren bei ansonsten gleichbleibenden Produktionsbedingungen eindeutig untereinander und mit der Rohdichte. Das bedeutet in der praktischen Anwendung, dass Dämmplatten unterschiedlicher Hersteller bei ähnlichen Produktionsbedingungen und ähnlicher Rohdichte auch ähnliche Festigkeits- und Steifigkeitswerte aufweisen. Was wiederum bedeutet, dass Dämmplatten unterschiedlicher WDVS aus rein technischer Sicht untereinander austauschbar sind, was tatsächlich auch bereits tägliche Baupraxis darstellt. Die Vereinfachung kann somit darin bestehen, dass Systemkomponenten ohne aufwändige Nachweise substituiert oder ergänzt werden können.
Das bezüglich des Wärme- und Feuchteschutzes in Kombination mit dem Tragverhalten Genannte, ist übertragbar auf die Situationen im Brand- und Schallschutz. Im Schallschutz werden die Anforderungen immer weiter hochgesetzt und es wird versucht, mit Einzelprüfungen im Originalmaßstab, also mit verhältnismäßig großem Aufwand in Kombination mit einem einzigen Systemaufbau, diese Anforderungen zu erreichen. Sehr erfolgversprechende Ansätze zur Simulation des Bauteilverhaltens existieren bereits.
Im Brandschutz werden zwar keine höheren Anforderungen gestellt, die Prognosemöglichkeiten mit Hilfe der numerischen Simulation sind jedoch noch stark eingeschränkt. Dabei ist die „Reduzierung“ aller Vorgänge auf rein physikalische, und im Brandfall auch chemische, Vorgänge ausgesprochen erfolgversprechend.

While extensive series of tests are carried out to determine material parameters for the load-bearing behavior of timber constructions, which enable statistical evaluation, building physics properties are determined using a small number of samples that cannot adequately cover the usual material scatter. Overall, an unsatisfactory situation has developed over the decades, not only for the manufacturers of building products, but also for planners and users.
The scientific question underlying all the projects in this dissertation is the question of functional relationships between influencing parameters and effects: Dose-response relationships. The aim of these functional relationships is to be able to make reliable predictions - to make building and insulating materials and the constructions made from them “calculable” in order to reduce the experimental and testing effort and increase reliability. Forecasts regarding
• the diffusion resistance of wood-based materials and other physical building properties
• the load-bearing and deformation behavior of wood fiber insulation materials (in ETICS) and
• the influence of natural fiber insulation materials on the structural moisture protection of timber constructions.
As part of several projects, extensive experimental and computational investigations were carried out on materials, material combinations and components, which should lead to a greater understanding of building physics and elasto-plastic-mechanical properties. The findings can contribute to a more accurate prognosis, which is based on the possibility of taking into account probabilities that include the scattering of the values of the material properties.
With the help of the work carried out and the knowledge gained from it, namely the ability to make computational predictions based on functional relationships, the experimental testing effort required to determine
• material properties
o several physical and mechanical values of wood-based materials including wood fiber insulation materials
o individual physical building properties of natural fiber insulation materials
• Component properties
o Load-bearing and deformation behavior of ETICS with wood fiber insulation materials
o structural moisture protection of timber constructions with natural fiber insulation materials
(in each case in timber construction), while increasing reliability at the same time.
The findings can also be transferred to other scenarios, in particular fire incidents. Initial approaches have already been carried out.

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