Militär und zivile Gesellschaft in der Garnison Wolfenbüttel 1815‒1918 : Eine Detailstudie zur Militärgeschichte vor Ort
Nach dem Abzug der napoleonischen Besatzung und der Errichtung des Herzogtums Braunschweig nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 übernahm Georg IV. von Großbritannien die vormundschaftliche Regierung für den minderjährigen Herzog Karl II. Das Herzogtum war ein weitgehend souveräner Staat im Deutschen Bund mit einer eigenen Armee. Durch die politischen Veränderungen im 19. Jahrhundert wurde das Herzogtum zunächst Teil des Norddeutschen Bundes, bevor es 1871 im deutschen Kaiserreich aufging. Diese politischen Umgestaltungen führten zu einem weitgehenden Verlust der Souveränität. Sie schlugen sich auch im Bereich des Militärs nieder.
Wolfenbüttel blieb 1754 nach der Verlegung der herzoglichen Residenz nach Braunschweig aus wirtschaftlichen Gründen Standort einer Garnison, auch während der napoleonischen Besatzung. Nach der Gründung des Herzogtums 1815 behielt Wolfenbüttel diesen Status unter der vormundschaftlichen Regierung durch Georg IV. und in den ersten Regierungsjahren Karls II. Nach der Flucht Karls 1830 und der Regierungsübernahme durch Herzog Wilhelm führten vor allem wirtschaftliche Gründe und Militärreformen zum Verlust der stehenden Garnison. Für deren Rückkehr setzten sich in den nächsten 70 Jahren alle Stadtmagistrate und Stadtverordnete vor allem aus wirtschaftlichen Gründen mit einem außergewöhnlichen Beharrungsvermögen ein. Diese Bemühungen waren, vor allem kurz vor der Jahrhundertwende, mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden. Sie führten dann 1899 zum Erfolg, als die I. Abteilung des neu aufgestellten Feld-Artillerie-Regiments Nr. 46 in die von der Stadt finanzierten Kasernenanlagen an der Lindener Straße einzog.
Als „Polizei des Absolutismus“ waren die militärisch ausgebildeten Soldaten der Garnison zunächst für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in Wolfenbüttel verantwortlich. Nachdem die Anzahl der Soldaten auf ein Detachement von 100 Soldaten reduziert worden war, die monatlich zwischen ihrem Hauptstandort Braunschweig und Wolfenbüttel pendelten, übernahm 1830 eine von Wolfenbütteler Bürgern mit Zustimmung des Braunschweiger Herzogs gebildete Bürgergarde diese Aufgaben. Sie verstand sich nicht als revolutionäres Gegenstück zum herzoglichen Militär. Ihr ging es um den Erhalt der staatlichen Ordnung und des eigenen Besitzes. Die Garde war zwar militärisch organisiert, enthielt aber auch basisdemokratische Elemente.
Kontakte zwischen dem Militär und den Einwohnern gab es zunächst einmal durch die Funktion der Soldaten als städtische Polizei und Ordnungsmacht. Prägender waren aber die Beziehungen, die dadurch entstanden, dass die Einwohner verpflichtet waren, Soldaten unentgeltliche Unterkunft zu gewähren. Für deren Verpflegung wurden sie aber entschädigt, so dass sie auch kleinere Gewinne erzielen konnten. Vor allem die ab 1817 jahrzehntelange Einquartierungen vorwiegend preußischer Soldaten waren zwar einerseits eine Belastung, andererseits aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die beteiligten Einwohner und die Stadt. Diese war bemüht, durch ihre Mitwirkung in der örtlichen Etappenbehörde und später durch die Umsetzung der Einquartierungsordnungen die Belastungen der Einwohner möglichst gering zu halten. Dass ihr das gelang, führte zu einem meistens spannungsfreien Verhältnis zwischen ihnen und dem Militär. Dazu trug wesentlich bei, dass infolge der militärisch erreichten deutschen Einheit 1871 das Ansehen des Militärs und des Militärischen sich in einem bisher nicht gekannten Maße steigerten. Die 1899 wieder eingerichtete feste stehende Garnison wurde zu einem gut integrierten Teil der städtischen Gesellschaft. Sichtbares Zeichen hierfür war die vor allem in der Mittel- und Oberschicht vorhandene breite Unterstützung der Wolfenbütteler Soldaten und des Militärs in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und während des Krieges.
After the retreat of the Napoleon army of occupying and the establishment of the Duchy of Brunswik after the Vienna Congress in 1815, Georg IV. of Great Britain took command for the minor Duke Charles II. The Duchy of Brunswik was a sovereign member of the German Confederation and had an army of its own. As a result of political developments during the 19th century the Duchy first became a member of the Northern German Confederation before it became part of the German Imperium. As a result it lost its political and military sovereignty.
In 1754 the residence of the Duchy was moved to Brunswik, but Wolfenbüttel kept its standing garrison because of economic reasons, even during the Napoleon occupation, the guardianship of George and the first years of Charles’ reign. After Charles’ escape and Duke William’s take over in 1830 the town lost its standing garrison because of a military reform and economic reasons. For the following 70 years the Wolfenbüttel magistrates und councillors constantly and persistently tried to make Wolfenbuettel a standing garrison again. In 1899 they finally reached their objective, when the first unit of the newly deployed Field Artillery Regiment No. 46 came into town. It occupied barracks that had been financed and built by the town of Wolfenbuettel.
After Wolfenbuettel had lost its standing garrison in 1830, a company of about 100 soldiers from Brunswik had to guard the state prison. They were exchanged every month between Wolfenbuettel and Brunswik. Magistrates and town councillors tried to compensate the loss of law and order by setting up a civil guard which was organized militarily but was under the command of the Magistrate.
There were hardly any relations between soldiers and locals due to the small numbers of soldiers. This changed when locals had to billet mostly Prussian soldiers according to a contract between the Prussian Kingdom and the Duchy of Brunswik. They had to house these men free of charge, but were paid for the food they had to provide. This billeting was an important economic factor not only for the local people but also for the town. Magistrates and councillors did everything to reduce the burden for the Wolfenbuettel people. This improved the relationship between the military and the local society, which had become much better after the German unification in 1871. The nation-wide reputation of the German imperial army was the reason why the Wolfenbuettel garrison became an integrated part of the local society and was strongly supported by the local people, especially the middle and upper classes, before and during World War I.
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