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Sicherheit und Akzeptanz des automatisierten Mischverkehrs : Effekte von Fahrzeugen mit Level 3 oder Level 4 Automatisierungsfunktion auf das Erleben und Verhalten von nicht automatisierten Verkehrsteilnehmern

Affiliation/Institute
Institut für Psychologie
Surges, Josef Fabian Domingo

Das automatisierte und autonome Fahren soll zukünftig dazu beitragen, den Straßenverkehr sicherer, effizienter und nachhaltiger zu machen. Es wird davon ausgegangen, dass Fahrzeuge mit SAE Level 3 und Level 4 Automatisierungsfunktionen (L3- bzw. L4-Fahrzeuge) sich mit nicht automatisierten Verkehrsteilnehmern im gleichen Verkehrsraum bewegen werden, wodurch der sogenannte ‚automatisierte Mischverkehr‘ entsteht. Aktuell liegen kaum Erkenntnisse dazu vor, inwiefern sich Interaktionen zwischen L3- oder L4-Fahrzeugen und nicht automatisierten Verkehrsteilnehmern auf die Sicherheit des Straßenverkehrs auswirken werden. Auch hinsichtlich der Akzeptanz nicht automatisierter Verkehrsteilnehmer für den automatisierten Mischverkehr besteht Forschungsbedarf. Um einen Beitrag zur Schließung der bestehenden Forschungslücken zu leisten, wurde in der vorliegenden Arbeit eine vertiefende Untersuchung der Sicherheit und Akzeptanz des automatisierten Mischverkehrs in Deutschland durchgeführt. Hierzu wurden eine Fahrsimulatorstudie (N = 42), eine Onlinebefragung (N = 2048) und Interviews mit N = 12 Expertinnen und Experten durchgeführt.

Im Rahmen der Arbeit konnte gezeigt werden, dass L3- beziehungsweise L4-Fahrzeuge einen Effekt auf das Erleben und Verhalten nicht automatisierter Verkehrsteilnehmer haben. In der Fahrsimulatorstudie bewerteten Autofahrer auf Autobahnen und Landstraßen das Fahrverhalten von vorausfahrenden Zielfahrzeugen mit ‚automatisiertem Fahrstil‘ (streng StVO konform, defensiv und kooperativ) als störender und weniger angemessen als das Fahrverhalten von Zielfahrzeugen mit ‚menschlichem Fahrstil‘. Gleichzeitig wurden in Folgefahrten mit Zielfahrzeugen mit automatisiertem Fahrstil mehr sicherheitskritische Verhaltensweisen der Probanden, wie zu dichtes Auffahren oder Überholmanöver, beobachtet. In Folgefahrten auf Stadtstraßen fielen die Effekte eines automatisierten Fahrstils geringer aus. Sowohl außerorts als auch innerorts konnten negative Effekte eines automatisierten Fahrstils in Folgefahrten durch eine Kennzeichnung der Zielfahrzeuge als ‚automatisiertes Fahrzeug‘ abgeschwächt werden.
In der Onlinebefragung berichteten Autofahrer, Fahrradfahrer und Fußgänger in ‚konfrontativen Interaktionen‘ mit zunehmenden Automatisierungslevel des Interaktionspartners zunehmend häufiger defensive Verhaltensintentionen, also z.B. anhalten/stehenbleiben zu wollen obwohl sie Vorfahrt hatten. Diese defensiveren Verhaltensintentionen gingen - verglichen mit Interaktionen mit konventionellen Fahrzeugen - mit einer höheren Gefahrenwahrnehmung, einem höheren Informationsbedürfnis und einer geringeren Selbstwirksamkeitserwartung der Probanden einher. Interaktionen mit L4-Fahrzeugen wurden dabei negativer erlebt als solche mit L3-Fahrzeugen. Zu-dem berichteten die Probanden in zwei von drei konfrontativen Szenarien defensivere Verhaltensintentionen gegenüber L4-Fahrzeugen als gegenüber L3-Fahrzeugen.

Darüber hinaus konnte auf Basis weiterer Ergebnisse der Onlinebefragung gezeigt werden, dass die Akzeptanz für den automatisierten Mischverkehr in Deutschland aktuell weder besonders hoch noch besonders niedrig ausfällt. Dabei weisen Fahrradfahrer eine tendenziell etwas höhere Akzeptanz für den automatisierten Mischverkehr auf als Autofahrer und Fußgänger. Zudem fällt die Akzeptanz für einen Mischverkehr mit L3-Fahrzeugen höher aus als für einen Mischverkehr mit L4-Fahrzeugen.
Im Rahmen vertiefender Analysen konnte gezeigt werden, dass die Einstellungsebene der Akzeptanz die Handlungsebene der Akzeptanz stark beeinflusst. So wurde ersichtlich, dass positivere Einstellungen hinsichtlich des automatisierten Mischverkehrs zu einer höheren Intention, sich in diesem zu bewegen, führen. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Vertrauen in L3-Fahrzeuge, welches sowohl einen starken Einfluss auf andere Einstellungen als auch auf die Handlungsebene der Akzeptanz hat.

Im Rahmen der Experteninterviews wurden Maßnahmen aus den Bereichen ‚Education‘, ‚Enforcement‘ und ‚Engineering‘ zur Steigerung der Sicherheit und Akzeptanz des automatisierten Mischverkehrs identifiziert. Bezugnehmend darauf und auf Basis der weiteren Projektergebnisse wurden im Fazit dieser Arbeit fünf übergeordnete Maßnahmen empfohlen, um den automatisierten Mischverkehr sicherer zu machen und die Akzeptanz für diesen zu steigern.
Zunächst wird empfohlen das Fahrverhalten von L3- und L4-Fahrzeugen möglichst ‚menschenähnlich‘ zu gestalten. Zudem wird empfohlen L3- und L4-Fahrzeuge mit einer Kennzeichnung, die den aktuellen Fahrmodus des Fahrzeugs signalisiert, auszustatten. Darüber hinaus sollte der Kenntnis-stand nicht automatisierter Verkehrsteilnehmer hinsichtlich des automatisierten und autonomen Fahrens und der Besonderheiten des Fahrverhaltens höhergradig automatisierter Fahrzeuge verbessert werden, beispielsweise über die Durchführung von (medialen) Kampagnen. In Ergänzung dazu sollte nicht automatisierten Verkehrsteilnehmern auf Testfeldern oder in der virtuellen Realität ermöglicht werden, Erfahrungen mit dem automatisierten Mischverkehr zu sammeln. Schließlich wird empfohlen die Einführung des automatisierten und autonomen Fahrens im Mischverkehr eng wissenschaftlich zu begleiten, um so frühzeitig neuartige Herausforderungen für die Verkehrssicherheit zu identifizieren und die Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Technologie einfließen lassen zu können.

Automated driving is expected to enhance road safety and make future mobility more efficient and sustainable. It is assumed that vehicles with SAE Level 3 and SAE Level 4 driving functions (L3- and L4-vehicles) will use the same traffic-space than non-automated road users, resulting in a so-called 'automated mixed traffic'. Currently, there is little knowledge about how interactions between L3- or L4-vehicles and non-automated road users will affect road safety. There is also a need for research regarding the acceptance of non-automated road users for automated mixed traffic. In order to contribute to closing the existing research gaps, an in-depth investigation of the safety and acceptance of automated mixed traffic in Germany was conducted in this thesis. For this purpose, a driving simulator study (N = 42), a large-scale online survey (N = 2048) and expert interviews (N = 12) were conducted.

It could be shown, that L3- and L4-vehicles can have an effect on the experience and behavior of non-automated road users. In the driving simulator study, drivers in car-following-scenarios on highways and rural roads rated the driving behavior of lead-vehicles with automated driving style (strictly StVO compliant, defensive and cooperative character) as more disturbing and less appropriate than the driving behavior of lead-vehicles with human driving style. At the same time, more safety-critical driving behaviors of the subjects, such as tailgating or overtaking, were observed in interactions with lead-vehicles with automated driving styles. In car-following-scenarios on urban roads, the effects of an automated driving style were smaller. Effects of an automated driving style in car-following-scenarios could be mitigated by labeling the lead-vehicles as 'automated vehicle'.
In the online survey, car drivers, cyclists, and pedestrians increasingly reported defensive behavioral intentions in 'confrontational interactions' with increasing SAE level of automation of the interaction partner, e.g., wanting to stop, although they actually had the right-of-way. These defensive behavioral intentions were accompanied by - compared to interactions with conventional vehicles - a lower safety-rating of the interaction, a higher need for additional information and a lower self-efficacy in the situation. Interactions with L4-vehicles were experienced more negatively than those with L3-vehicles. In two of three confrontational interactions, subjects reported significantly more defensive behavioral intentions toward L4-vehicles than toward L3-vehicles.

In addition, further results of the online survey showed that acceptance for automated mixed traffic is currently neither particularly high nor particularly low. The acceptance for mixed traffic with L3 vehicles tends to be higher than for mixed traffic with L4 vehicles. In addition, cyclists tend to have a marginally higher acceptance for automated mixed traffic than car drivers and pedestrians.
In the course of in-depth analyses, it was demonstrated that attitudes regarding automated mixed traffic strongly influences the behavioral level of acceptance. Thus, it became apparent that more positive attitudes lead to a higher intention to participate in automated mixed traffic. Trust in L3-vehicles has a strong influence on other attitudes as well as on the behavioral level of acceptance and therefore it is important to enhance acceptance in the future.

During expert interviews, measures from the areas of 'Education', 'Enforcement' and 'Engineering' were identified to increase the safety and acceptance of automated mixed traffic. Relating to this and on the basis of the other project results, five main measures were recommended in the conclusion of this thesis to make automated mixed traffic safer and increase acceptance for it.
First, it is recommended to design the driving behavior of L3- and L4-vehicles as 'human-like' as possible. In addition, it is recommended to equip L3- and L4-vehicles with a label that signals the current driving mode of the vehicle. Furthermore, knowledge of non-automated road users regarding automated driving and the special features of the driving behavior of automated vehicles should be improved, for example, through (media) campaigns. Furthermore, non-automated road users should be enabled to gain experience with automated mixed traffic at test sites or in virtual reality. Finally, it is recommended that the introduction of automated driving in mixed traffic should be accompanied by scientific research in order to identify upcoming challenges and to be able to take these findings into account in the further development of the technology.

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