„Wenn ich so ein Schichtsystem zeige, dann wenden sich die Mitarbeiter voller Grauen ab“ – Analyse betrieblicher Rahmenbedingungen und beschäftigtenseitiger Widerstände bei der Umsetzung von arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen zur Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit
Im Jahr 2019 arbeiteten in Deutschland 15.6 % der Beschäftigten in Nacht- und Schichtarbeit. Diese Arbeitszeitform geht mit erheblichen gesundheitlichen Risiken einher: Schlafstörungen, gastro-intestinale sowie kardiovaskuläre Beschwerden; diskutiert wird sogar ein Zusammenhang mit einem gesteigerten Krebsrisiko. Hintergrund ist das dauerhafte Zuwiderhandeln gegen den individuellen Biorhythmus. Um die gesundheitlichen Risiken zu reduzieren, gibt es einige anerkannte arbeitswissenschaftliche Empfehlungen zur Gestaltung von Schichtarbeitssystemen (z.B. nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander, ausreichende Ruhezeiten, etc.). Diese Empfehlungen sind zum Teil seit Jahrzehnten wissenschaftlicher Konsens. Ihre Implementierung ist auch Gegenstand einer Norm im Arbeitszeitgesetz. Dennoch deuten Befunde darauf hin, dass die Empfehlungen nicht flächendeckend umgesetzt sind. Auch wird von erheblichen beschäftigtenseitigen Widerständen gegen die Umstellung von Schichtsystemen und die Berücksichtigung der Empfehlungen berichtet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die betrieblichen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung von Schichtarbeitssystemen zu analysieren und die Frage zu beantworten, warum die Empfehlungen trotz arbeitswissenschaftlich unbestrittener Wirksamkeit nicht umgesetzt sind. Die Erkenntnisse aus der vorliegenden Arbeit lassen zum einen den Schluss zu, dass die Regulierung von Nacht- und Schichtarbeit nicht allein den betrieblichen Akteuren überlassen werden kann. Flankierende tarifvertragliche und gesetzliche Regelungen, zum Beispiel zu einer reduzierten Vollzeit für Nacht- und Schichtbeschäftigte, sowie Konzepte für den geregelten Übergang in die Rente sind vor dem Hintergrund der erheblichen Belastungen unabdingbar. Zum anderen können die subjektiven Belastungen der Beschäftigten und ihre Bewältigung derzeit nicht mit Hilfe der vorliegenden Belastungsanalyse abgebildet werden, da die arbeitswissenschaftlichen Konzepte diesen Faktor derzeit kaum berücksichtigen. Es bedarf in der Folge einer zu entwickelnden interdisziplinären Belastungsanalyse.
In 2019, 15.6 % of employees in Germany worked night and shift work. This form of working time is associated with considerable health risks: sleep disorders, gastrointestinal and cardiovascular complaints; a connection with an increased risk of cancer is even being discussed. The background to this is the permanent contravention of individual biorhythms. In order to reduce the health risks, there are some recognized recommendations from Ergonomics for the design of shift work systems (e.g., no more than three night shifts in a row, sufficient rest periods, …). Some of these recommendations have been the scientific consensus for decades. Their implementation is also the subject of a paragraph in the German Arbeitszeitgesetz (German Working Hours Act). Nevertheless, findings indicate that the recommendations have not been implemented across the board. There are also reports of considerable resistance on the part of employees to the conversion of shift systems and the consideration of the recommendations. The aim of this dissertation is therefore to analyze the general conditions in companies when designing shift work systems and to answer the question of why the recommendations have not been implemented despite their undisputed effectiveness in Ergonomics. The findings of this study lead to the conclusion that the regulation of night work and shift work cannot be left to the company actors alone. Accompanying collective bargaining and statutory regulations, for example on reduced full-time working hours for night and shift workers, as well as concepts for a regulated transition to retirement are indispensable against the background of the considerable burdens. On the other hand, the subjective strains and stresses of employees and how they are coped with cannot currently be mapped with the help of the present analysis as the concepts of Ergonomics and Labour Science hardly take this factor into account at present. As a result, an interdisciplinary analysis for including all shift work related stresses and strains needs to be developed.
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