Chaostheorie - nützlich oder vergänglich?
Chaos ist das Wort mit der weltweit größten Wertsteigerung, so schrieb DER SPIEGEL, Brügge (1993), am Beginn seiner dreiteiligen Serie "Kult um das Chaos" mit dem Untertitel "Aberglaube oder Welterklärung?". In dieser Serie finden sich viele harsche Worte für die unseriösen Protagonisten der Chaostheorie. Viele erliegen in der Tat der Faszination prächtig falscher "Chaosdarstellungen". Viele reden und schreiben über die Chaostheorie: Mathematiker und Physiker, Ingenieure und Biochemiker, Ökologen und Mediziner und sogar Sozialwissenschaftler. Und wenn soviele darüber reden, dann ist es nicht erstaunlich, daß sogar Komponisten, Dichter, Tänzer, Psychologen und auch Manager davon angesteckt werden. Wenn soviele darüber reden, dann ist es klar, daß nicht alle, die es tun, auch etwas davon verstehen. Aber sie tun es trotzdem, und damit sind wir beim Problem. Chaostheorie beschreibt keine "wissenschaftliche Revolution". Der Begriff "Chaostheorie" erweckt genauso falsche Assoziationen wie der Begriff "Katastrophentheorie". Mit dem Artikel "Chaos, Fraktale und das Bild der Mathematik in der Öffentlichkeit" stellt der Mathematiker Steffen (1994) sehr kritisch Beiträge zur Chaostheorie an den Pranger. Man muß seine Wertung nicht teilen, sie mag vielen gar provokativ überzogen vorkommen, aber er hat sicher manche besonders verwegene Deutungen, Spekulationen und Auswüchse zu Recht aufs Korn genommen. Das Thema Chaos hat viele Facetten und so auch die dazu erschienenen Publikationen. Die Bandbreite an umfangreicher, lesenswerter Literatur deutscher Autoren aus dem Bereich der Ingenieurwissenschaften reicht von Argyris u. a. (1994) bis Straub (1990). Ich will mich heute weder mit Steffens zum Teil beißender Kritik beschäftigen und auch nicht in den Kreis leidenschaftlicher Befürworter einreihen, sondern über meine nunmehr über fünfzehnjährige Erfahrung mit dem Thema "Chaostheorie" berichten. Für den Tübinger Biochemiker Otto Rössler ist der altgriechische Philosoph Anaxagoras der Urvater der Chaostheorie. Das könnte ein Beleg dafür sein, daß Chaos die Menschheit schon lange beschäftigt. Auch Leonardo da Vinci war von diesem Phänomen offenbar fasziniert, wie einige seiner Zeichnungen erahnen lassen. Ich befinde mich also in guter Gesellschaft!
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