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Die Liberalisierung und Deregulierung der Strom- und Gasversorgung: Eine Reform vor der Entgleisung?

Über die vergangenen gut 10 Jahre hinweg haben wir sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Ebene eine sich stetig beschleunigende Abfolge immer neuer Gesetzgebungsakte und sonstiger Regelungen für die leitungsgebundene Energieversorgung, d.h. für die Storm- und Gasversorgung, durchlaufen: in Europa die 1. Generation der europäischen Binnenmarkt-Richtlinien für Strom (1996) und für Gas (1998) und sodann die 2. Generation vom Juni 2003 für Strom und für Gas. Die 3. Generation, auch als 3. Liberalisierungspaket bezeichnet, befindet sich bereits im Endstadium der Beratungen und soll in der 1. Jahreshälfte 2009 endgültig verabschiedet werden. In Deutschland sind es das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) 1998, dessen kurzlebige und fehlgeschlagene Novellierung von 2003, sodann das neue – und jetzt noch geltende – EnWG 2005 sowie inzwischen eine Fülle von Rechtsverordnungen – jeweils getrennt für Strom und Gas: Netzanschlußverordnungen, Netzzugangsverordnungen, Netzentgeltverordnungen, neuestens darunter die am 01.01.2009 wirksam gewordene Anreizregulierungsverordnung, um nur die bekanntesten zu nennen. Um Sinn oder auch Unsinn all dieser Regelungen, die in ihrer Gesamtheit das ausmachen, was man den rechtlichen Ordnungsrahmen der leitungsgebundenen Energiewirtschaft nennt, zu erfassen, muß man sich vorab die Grundfrage stellen: Bedarf es für die Strom- und Gasversorgung überhaupt eines eigenständigen rechtlichen Ordnungsrahmens und wenn ja, aus welchem Grunde? Was unterscheidet Produktion, Transport und Vertrieb von Strom und Gas von der Herstellung, dem Transport und dem Vertrieb anderer Waren wie etwa Zahnpasta, Kinderspielzeug, Möbel, Maschinen? Hier gibt es ja auch keinen eigenständigen rechtlichen Ordnungsrahmen, den man Zahnpasta- oder Möbelrecht nennen könnte. Vertrieb und Transport von Waren unterstehen üblicherweise dem allgemeinen rechtlichen Ordnungsrahmen. Dessen Mittelpunkt bildet das allgemeine Vertragsrecht einschließlich des Kauf- und Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit seinen Spezialausprägungen im Handelsgesetzbuch (HGB). Hier kommt dem Grundsatz der Privatautonomie (Vertragsfreiheit) maßgebende Bedeutung zu. Die Sicherung des für unser Wirtschaftssystem prägenden, auch verfassungsrechtlich verankerten Wettbewerbsprizips gegenüber Verfälschungen und Mißbräuchen seitens der Marktteilnehmer ist die Aufgabe des Kartellrechts und der mit dessen Anwendung betrauten Kartellbehörden. Welche Gründe sind es dann, die für die Herausbildung eines eigenen Energie-(wirtschafts)rechts verantwortlich sind?

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