„Ich scheue mich gar nicht zu gestehen, daß ich die französische Revolution im Ganzen genommen sehr liebe.“ Revolutionserfahrung und politisches Denken bei Friedrich Schleiermacher
Mit großem Einsatz hat Schleiermacher an den öffentlichen Debatten in Staat und Gesellschaft teilgenommen und dabei auf vielfältige Weise das Ziel einer Modernisierung der politischen und sozialen Verhältnisse verfolgt. Nach seinem Selbstverständnis bestand eine enge Verbindung zwischen der politischen Wirksamkeit und den Aufgaben des akademischen Lehrers und protestantischen Geistlichen. In den seit mehr als drei Jahrzehnten wieder sehr intensiv betriebenen Forschungen zur Theologie und Philosophie Schleiermachers sind allerdings solche Bezüge weitgehend ausgeblendet worden. Seine politischen Überzeugungen sind bisher, ebenso wie die meisten der zahlreichen politisch relevanten Stellungnahmen, kaum bekannt und weder in ihrer werkgeschichtlichen Bedeutung noch in ihrer Rolle innerhalb der modernen Staatstheorie näher erörtert worden. Noch schwerer wiegt, daß die Intentionen, die Schleiermacher überhaupt zu seinem politischen Einsatz motiviert haben und die durchaus nicht allein auf die Wiedergewinnung staatlicher Eigenständigkeit gerichtet waren, vielfach unklar blieben. Die zentralen politischen Forderungen – die Anerkennung politischer Partizipationsrechte der Landesbewohner, die Etablierung einer kritischen öffentlichen Diskurskultur, die Bildung repräsentativer Einrichtungen und die Ablösung feudaler Entscheidungsstrukturen, insgesamt also die Entwicklung des Staatswesens in Richtung auf einen demokratischen Rechts- und Verfassungsstaat – sind kaum rezipiert worden.
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